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Maulwurfgarten

Regenwurmstadt & Maulwurfgarten

Soundpuzzle-Installation der ohrenhoch-Kids

Präsentiert im "ohrenhoch, der Geräuschladen"
am 11. Kunst- und Kulturfestival "48 Stunden Neukölln" 26. - 28. Juni 2009,
und am Sonntag 5. Juli 2009.

[Sonderauszeichnung "Junges Hören" des netzwerk junge ohren und der Strecker-Stiftung: Siehe Menü "Auszeichnungen"]

Im "ohrenhoch, der Geräuschladen" werden die Kunstfestivals in Berlin-Neukölln genutzt, um Projekte aber auch spezifisch die Prozesse der ohrenhoch-Kids öffentlich hörbar und sichtbar zu präsentieren. Diese Art Veranstaltungen sind ausschliesslich nach ihren Ideen und Wünschen ausgerichtet.

Ausgangspunkt für "Regenwurmstadt & Maulwurfgarten" war das Thema "Humus" des diesjährigen Festivals 48 Stunden Neukölln. Es gab im Verlauf die unterschiedlichsten Ideen, es fand unter den ohrenhoch-Kids ein lebhafter und phantasievoller Prozess statt, der sich thematisch in unterschiedlichsten Richtungen entwickelte und zu dem Titel führte: "Regenwurmstadt & Maulwurfgarten"

"Regenwurmstadt & Maulwurfgarten" ist in zwei Ebenen konzipiert:

Regenwurmstadt im ohrenhoch-Schaufensterraum, Maulwurfgarten im Keller.

Im Schaufensterraum begegnen Sie der "Regenwurmstadt" am Boden. Sie besteht aus verschiedenen aus Abfallmaterialien gefertigten Regenwurmstadt-Gebäuden und wird mit mp3-Playern und mit leicht umfunktionierten Kopfhörern betrieben.
Es sind für die ohrenhoch-Kids konkrete Gebäude, mit Namen versehen wie: eine Fabrik (Louis), eine Krankenstätte "aus eins wird zwei" (Clara), ein Regenwurmrathaus mit einer Auto-Tiefgarage (Ferdinand), eine Regenwurmgeisterbahn (Clara), ein Sportstadion (Paul), ein Regenwurmgrab bzw. Regenwurm-Mausoleum (Louis und Ferdinand), eine Polizeistation (Louis), ein Wurmloch-Teleskop (Marcel), ein Regenwurm-ohrenhoch (Luca), ein Regenwurm-Motel (Ferdinand), ein Funkturm (Paul), ein Regenwurmhochhaus (Louis), ein Regenwurmdampfer (Luca) und ein Dreiecksgebäude (Kyra).
Die Kopfhörer sind in den einzelnen Objekten, Nischen installiert, eingebaut, freigelegt und funktionieren als kleine Lautsprecherchen.
Interessant finde ich, dass die ohrenhoch-Kids eine Installation kreierten, die in ihrem Gebilde sehr fagil ist und eine spezielle Raffinesse und Eleganz ausstrahlt.
Zum Beispiel sind die Lautstärken der Klänge nicht nur den Objekten angepasst (die Auseinandersetzung mit Proportionen: Raum-Zeit etc.), sondern die ohrenhoch-Kids konfrontieren die Erwachsenen mit ihren Gegenüberstellungen, Hör-Proportionen und ihrer Formensprache, um akustisch und visuell in ihre konkreten Grössenverhältnisse einzutauchen.
Wenn auch zum Teil die Gebäude der Regenwurmstadt, zum Beispiel die Polizeistation oder das Rathaus, reale alltägliche Dinge sind, so weist der Prozess der ohrenhoch-Kids in "Regenwurmstadt" interessanterweise viele visionäre Ebenen auf.

Im Keller, der verdunkelt ist, geht man sozusagen in die Erde hinunter. Dort befindet sich der Maulwurfgarten. Der Maulwurfgarten besteht aus einer Kiste mit einem Auto-Bassbooster-Lautsprecher, der zugedeckt ist mit Erde.

"Regenwurmstadt"

Ausgangspunkt war, dass die Natur keine Abfälle produziert.

Es gab in diesem Projekt eine einzige Spielregel, einen Rahmen, den ich mit den ohrenhoch-Kids abgesprochen habe - und zwar, dass nur Gegenstände, Materialien zugelassen sind, die man üblicherweise in den Müll wirft. Alles andere wurde von den ohrenhoch-Kids selbst entwickelt, ausgearbeitet und selbständig entschieden.

Müllverwertung, Transformationen, Utopien.

Die Regenwurmstadt wurde von den ohrenhoch-Kids in der Hörgalerie angefertigt aus Vepackungsmaterial-Abfall, den sie von zu Hause mitbrachten oder flugs von einem Einkaufsmarkt gleich um die Ecke vom ohrenhoch organisierten- zum Beispiel Kartonschachteln, Pappröhren, verschiedene Plastikbecher, PET-Flaschen etc. Diese Abfallmaterialien wurden schliesslich in konkreten oder zufälligen Umwandlungsstufen modifiziert, mit farbigem Klebeband, Schere und Cutter bearbeitet, umgewandelt, verändert, umgeformt und daraus die unterschiedlichsten Gebäude-Objekte der Regenwurmstadt hergestellt.
Die Gebäude oder Objekte wurden mit der Idee angefertigt, dass Hohlräume, Nischen entstanden, wo man offene Kopfhörer (umfunktioniert zu kleinen Lautsprechern) platzieren kann - präzise nach klanglichen-akustischen Kriterien.

Horchen, Lauschen

Die einzelnen Geräusche sind in den Schachteln, Röhren und Bechern. Man kann je nach Lust und Laune seine Ohren an die einzelnen aus Abfall transformierten Objekte anpeilen.

Für die ohrenhoch-Kids ist es wichtig, dass die Leute sich bücken oder in die Knie gehen müssen, um sich die einzelnen Geräuschteile, Kompositionen von den Soundpuzzle-Teilen anzuhören. JedeR kann versuchen, sein rechtes oder linkes Ohr an eine Röhre aufzulegen - "Ohrenlupe". Man kann oder muss auch auf die Knie gehen, um mit dem Ohr ganz nah die einzelnen Stücke der jeweiligen Gebäude-Objekte anzuhören.

Ohrblicke

Somit entdecken Sie in der Regenwurmstadt mit Ihren Ohren verschiedene Geräuschkompositionen. Es sind skulpturartig  zusammengestellte Hörgänge mit  unterschiedlichsten "Field Recordings" (Umgebungsgeräusche), aber auch ein paar synthetische Klänge, die mit einem Sampler in weiteren Prozessen zum Teil verändert, überlagert und modifiziert wurden.

Es sind nicht alle Regenwurmgebäude-Objekte mit einem Geräusch bespielt: Ohne Elektronik sind diejenigen Objekte, die von den beiden 5-jährigen ohrenhoch-Kids (Luca und Kyra) gemacht wurden. Das "Regenwurm-ohrenhoch" und das "Wohnhaus-Dreiecks-Gebäude" mit Rohr. Interessant ist an diesem Objekt mit Rohr, dass Kyra das Hörrohr mit Klebeband am Gebäude bewusst so umwickelte, dass man vom Klebeband Klebgeräusche wahrnimmt...
Luca wiederum wollte bewusst im "Regenwurm-ohrenhoch" Stille.

Field Recording, Soundmixturen, 16 Puzzlestücke

Die Regenwurmstadt besteht aus 9 Stereo-Kopfhörern mit 8 Mp3-Playern, über die 16 verschiedene Geräuschkompositionen im Loop (Schlaufe) abgespielt werden. Die 16 Geräuschkompositionen sind mit dem jeweiligen Regenwurmstadt-Gebäude verknüpft und wurden von den ohrenhoch-Kids selbst aufgenommen, transformiert und zusammengestellt.
Es sind unterschiedliche Aufnahmen zum Beispiel aus gemeinsamen Aufnahme-Exkursionen "Field Recording". Es sind auch Aufnahmen enthalten, wo die ohrenhoch-Kids einen Digitalrecorder mit nach Hause nahmen, um eines oder mehrere Geräusche einzufangen. Ihre Aufnahmen haben die ohrenhoch-Kids zum Teil zusätzlich mit einem Sampler verändert, transformiert und zu Loops (Schlaufen) komponiert.
Diese 16 Soundteile sind mit unterschiedlichsten Pausenlängen angefertigt. Es sind sozusagen einzelne Puzzlestücke, die gleichzeitig miteinander abgespielt werden. Durch die unterschiedlichen Pausenlängen jedes einzelnen Stückes werden die 16 Teile ineinandergreifen - mehrstimmig - polyphon - und zu einem wechselnden Ganzen werden.
Ein realer Durchgang dauert 21min 56 sec.

"Maulwurfgarten"

Ein Kontrast zur Regenwurmstadt ist der Maulwurfgarten. Er befindet sich im Keller.
Es ist eine Idee der ohrenhoch-Kids.
Umgesetzt wurde die Idee von Knut Remond.

Wenn Sie die Treppe zum Keller hinuntergehen, befinden Sie sich sozusagen unter der Erde.
Dort befindet sich der Maulwurfgarten. Es ist schummerig, mit wenig Licht und man hört den oder die Maulwürfe.
Der Maulwurfgarten besteht aus einer mit Erde gefüllten Holzkiste. Eingebettet in der Erde liegt ein Basswoofer. Die Soundquelle ist ein altes Radio, die Frequenz des Radios ist auf ein Störgeräusch eingestellt. Zwei der ohrenhoch-Kids hatten die Idee, dass Lautsprecher unter der Erde liegen, wo Geräusche von Maulwürfen abgespielt werden.
Die Idee und die Atmosphäre von Maulwurfgarten möchte ich bewusst nicht genauer beschreiben. Ich denke, das Erleben, die Überraschung, das unmittelbare Erfahren ist sehr speziell und ist damit wirklich allen Interessierten zu empfehlen.

Ich möchte mich bei allen bedanken, die dieses Projekt möglich gemacht haben: Bei unseren Sponsoren und Förderern, aber auch bei den Eltern der ohrenhoch-Kids für ihr Vertrauen und die gelungene Zusammenarbeit.

Knut Remond, Juni 2009