Zu hören am Sonntag 16. und 23. Januar 2011, 14:00 - 21:00 Uhr:
Rothko IV (2008) (Deutsche Erstaufführung)
von Germán Toro Pérez
Germán Toro Pérez über sein Stück 'Rothko IV':
Aus der Perspektive, die uns die Zeit über sein Gesamtwerk ermöglicht hat, scheint mir Rothko insgesamt als ein Künstler, der, ungeachtet der Bedürfnisse eines von täglichen Schlagzeilen lebenden Kunstbetriebes, in einem langsam über Jahren vollbrachten Tiefgang zur Reduktion, die Fülle seiner Hauptthemen in unmissverständlicher und höchst eigenständiger Art in Raum und Farbe umsetzte. Bei Rothko wirkt gleichermaßen das, was sich unmittelbar zeigt wie das, was verborgen bleibt. Form- und Farbsprache entspringen der Reflexion über seine Gegenstände, die griechischen Mythen, der Ursprung der Tragödie, die Struktur der Psyche, der Surrealismus, die Freskenmalerei des Fra Angelico, etc. Sie sind nicht ästhetischer oder ästhetisierender Selbstzweck. Das, was nach langsamer Destillierung übrig bleibt, beinhaltet das Wesen alldessen, von dem es herrührt. Nicht nur das, was man sieht, ist dann enthalten, sondern auch das alles, was äußerlich entbehrlich geworden ist.
Rothko IV definiert eine klare Syntax, basierend auf Kompositionsmodellen, die kontinuierliche und diskontinuierliche Elemente kombinieren. Diskontinuierliche Elemente haben die Beschaffenheit von erkennbaren Klangobjekten, werden in Sequenzen zusammengefasst und lassen Zwischenräume offen, die weitere Klänge im Hintergrund hören lassen. Kontinuierliche Klänge erscheinen als Oberflächen und als Fluktuationsprozesse. Das Stück ist ein weiterer Versuch, der Idee des Raumes als eine Überlagerung von Schichten nahe zu kommen, die in den Klangraum kommen und ihn verlassen. Dadurch bedecken oder decken sie weitere im Hintergrund exisitierende Klangschichten auf und suggerieren einen Prozess, der jenseits der Grenzen von bewusster Wahrnehmung weitergeht.
Germán Toro Pérez
Geboren 1964 in Bogotá. Musiktheorie Ausbildung sowie Privatunterricht in Komposition in Bogotá. Kompositionsstudium bei Erich Urbanner an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Danach ergänzende Studien in Dirigieren sowie in Elektroakustik in Wien und am IRCAM in Paris.
Seine bisherige Arbeit besteht aus Kompositionen für Orchester, Instrumentalensemble, Kammermusik mit und ohne Elektronik, elektroakustische Musik, Klangkunst sowie Arbeiten in Zusammenhang mit grafischem Design, Video, Film und bildender Kunst.
Texte und Publikationen im Bereich Künstlerische Forschung, Kompositionstheorie und Ästhetik der Elektroakustik sowie Geschichte und Identität der lateinamerikanischen Musik.
Seit 2007 ist er Leiter des ICST – Institute for Computer Music and Sound Technology und Dozent für Elektroakustische Komposition an der ZHdK Zürcher Hochschule der Künste.
www.icst.net
mica Interview German Toro Pérez